Oktavia Aigner-Rollett - Erste Ärztin in Graz

Humboldtstraße 17

geb. 23.5.1877, gest. 22.5.1959 in Graz.

Oktavia Rollett wurde als Tochter des Anatomie-professors Alexander Rollett geboren. Die Familie lebte - wie damals üblich - an der Arbeitsstätte des Vaters im Gebäude des Anatomieinstitutes in der Harrachgasse in Graz. Alexander Rollett war gegen ein Studium für Frauen eingestellt, die Tochter konnte sich aber nach ihrer Ausbildung zur Lehrerin durchsetzen, sie legte als eine der ersten Frauen in Graz die externe Matura am Staatsgymnasium ab und studierte ab 1900 an der Karl-Franzens-Universität Medizin.

Im Dezember 1905 promovierte sie als zweite Medizinerin in Graz kurz nach Maria Schuh-meister. Parallel zum Medizinstudium studierte sie auch Philosophie und wollte auch dieses Studium abschließen. Das wurde von der Universität abgelehnt, weil es für die zustän-digen Professoren damals unerhört war, dass eine Frau zwei Doktortitel erwerben könnte.

Sie arbeitete darauf im Allgemeinen Kranken-haus Graz (heute: Grazer Landeskrankenhaus) als unbezahlte Hilfsärztin. Eine bezahlte Anstel-lung wurde ihr verweigert, sodass sie ins private Anna-Kinderspital wechselte, wo sie als Sekundarärztin angestellt war.

1907 eröffnete sie in der Humboldtstraße 17 in Graz ihre eigene Praxis und war damit die erste praktizierende Ärztin in der Steiermark. 1908 heiratete sie den Arzt Walter Aigner mit dem sie drei Söhne hatte. Ab 1925 war sie Vertragsärztin der damaligen Krankenkasse für Arbeiter und Angestellte (heute Gebietskrankenkasse) und im Jahr1935 wurde ihr der Titel „Medizinalrat“ verliehen.

Sie blieb bis zum 76. Lebensjahr als Ärztin tätig. Ihre kleine Gestalt, in den letzten Jahrzehnten stets schwarz gekleidet bzw. mit schwarzer Kappe wegen ihrer empfindlichen Stirnhöhle, war im Bezirk Geidorf wohlbekannt und geschätzt. Sie behandelte etwa 15 000 PatientInnen aus allen Schichten bis 1952 in ihrer Praxis.

Als erste Frau in Graz bekam sie knapp vor ihrem Tod, im Jahr 1959 das Goldene Doktordiplom.

1949

 Fotos: Fam.Aigner

Lit.: Reinhold Aigner: Dr. Oktavia Aigner-Rollett. Die erste Ärztin in Graz. Biographie einer österreichischen Früh-Ärztin. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd.2. Graz 1969.  

Reinhold Aigner: Kleine Erinnerungen an die erste Grazer Ärztin (1877-1959). In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 47, Graz 1997, S. 243 ff.

Brigitte Dorfer, Ilse Wieser: Frauen zu Graz. Acht berühmte Frauen aus, in und um Graz. Graz 2000.

 

1900

Oktavia Rollett war in einer Reihe von Frauen-vereinen verankert. Der Vereinigung arbeitender Frauen in Graz gehört sie seit der Gründung 1906 an. Auch nachdem sich die Vereinigung arbeitender Frauen zuerst in den Allgemeinen Deutschen Frauenverein in Graz und später in den Deutschen Frauenbund Graz, einen eindeutig deutschnationalen Frauenverein, wandelte, blieb sie Mitglied.

Weiters war sie in der Ersten Republik Mitglied des Verbandes der akademischen Frauen Österreichs, gehörte dem Klub der Grazer Frauen an ebenso ist sie Mitglied der Internatio-nalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Graz, einer transnational ausgerichteten Frauenvereinigung der radikal bürgerlichen Frauen- und Friedensbewegung. Sie stand damit gleichzeitig in Verbindung mit deutsch-nationalem wie mit pazifistischem Gedankengut und Vereinigungen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie Vize-präsidentin des steirischen Zweigs der Internationalen Vereinigung berufstätiger Frauen, die sich aus dem Klub der Grazer Frauen entwickelt hatte.

In Graz wird am Rosenhain das Pflegewohnheim und die Aigner-Rollett-Allee nach ihr benannt; an der Karl-Franzens-Universität die Oktavia Aigner-Rollett Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterforschung eingerichtet.

Beim "EHRENRING", Denkmal für Oktavia Aigner-Rollett von Barbara Baur-Edlinger beim Paulustor und bei der Uni.

http://www.ehrenring.net/index.php