Christine Touaillon - Pionierin in der Literaturwissenschaft
Universitätsplatz 3, Foyer
geboren am 27.2.1878 in Iglau, gestorben am 15.4.1928 in Graz
Christine Auspitz wurde 1878 in Iglau geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Volks- und Bürgerschule, absolvierte sie ab 1893 die Lehrerinnenbildungsanstalt in Wien und erhielt die Lehrbefugnis für öffentliche Volksschulen. 1902 absolvierte sie die Matura – wie es damals üblich war – extern an einem Staatsgymnasium für Jungen. Anschließend war es ihr möglich, als ordentliche Hörerin Germanistik und Geschichte an der Universität Wien zu studieren. Sie beendete ihr Studium 1905 mit der Promotion.
Im Jahr 1904 heiratete Christine Heinrich Touaillon, einen Notar, mit dem sie in die Steiermark zog. Christine Touaillon engagierte sich im Allgemeinen Österreichischen Frauen-verein, sie gab zusammen mit Leopoldine Kulka und Emil Fickert dessen Zeitschrift „Neues Frauenleben“ heraus, in der sie immer wieder literarische Rezensionen publizierte.
Im Jahr 1910 zog sie zusammen mit ihrem Mann nach Stainz. Durch die Nähe zu Graz und den dortigen Bibliotheken begann sie mit den Vorarbeiten zu ihrer Habilitationsschrift „Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts“. Diese Arbeit war eine Pionierarbeit, so fehlte es gänzlich an Sekundärliteratur und die Recherche-arbeit gestaltete sich als äußerst schwierig. Erst im Jahr 1918 konnte ihre Habilitation in Druck gehen, wobei noch zuvor das Problem der Papier-beschaffung gelöst werden musste. Papier war gegen Ende des Krieges und in der Nachkriegszeit knapp und so bekam sie 2000 Kilogramm Papier im Tausch gegen 300 Kilogramm Schweine-fleisch, sodass sie endlich im Juli 1919 ihr Gesuch zur Erlangung der Venia Legendi an der Uni-versität Graz vorlegen konnte.
Foto: Fayer, Wien 1927
Die Erteilung der Lehrbefugnis an der Universität Graz verschleppte sich über Monate und war schließlich am Widerstand des Senats gescheitert, der sich gegen die Lehrtätigkeit von Frauen an der Universität aussprach. Mit folgender Begründung wurde das Ansuchen Christine Touaillons abgelehnt, ob Frauen überhaupt im Stande seien, „auf junge Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren, in dem bestimmte spezifisch männliche Eigenschaften am stärksten hervortreten, den erforderlichen pädagogischen Einfluss zu nehmen.“ ( Rainer Leitner, Christine Touaillon, geb Auspitz, 1878 – 1928, Gelehrte und Feministin. Versuch eines Portraits. Graz 1991, S. 39.)
Christine Touaillon habilitierte sich daraufhin 1921 - als zweite Frau Österreichs - an der Universität Wien als Privatdozentin für Neuere Deutsche Literaturgeschichte. In den folgenden Jahren übte sie ihre Lehrtätigkeit an der Universität aus und hielt zahlreiche Vorträge im Volksheim in Wien und an der Urania in Graz.
Im Frühjahr 1928 wurde Christine Touaillon mit der Diagnose „Klimakterium“ in die psychiatrische Abteilung des Landesnervenkrankenhauses „Feldhof“ in Graz eingeliefert. Am 15. April desselben Jahres starb sie, wie durch eine Obduktion festgestellt wurde, an einer Entzündung der Herzinnenwand und den daraus entstandenen schweren Folgeerkrankungen.
Lit.: Rainer Leitner, Christine Touaillon, geb. Auspitz, 1878 – 1928, Gelehrte und Feministin. Versuch eines Portraits. Graz 1991. (Dipl.Arb) Ilse Wieser, Christine Touaillon – Pionierin der Literaturwissenschaft.
In: WOMENT! Eine Würdigung der Grazer FrauenStadtGeschichte. Dokumentation und Lesebuch (Hg. Bettina Behr, Ilse Wieser) Innsbruck, Wien Bozen 2004, S. 118 ff.
Elisabeth Lebensaft in: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen (Hg. Ilse Korotin) Wien, Köln, Weimar 2016, Band 3, S. 3313 f.
Zur Würdigung von Christine Touaillon wurde eine WOMENT!-Tafel 2003 im Foyer der Universität angebracht:
Als studierende Frauen noch außergewöhnlich waren, ging sie viel weiter.
Christine Touaillon beschäftigte sich erstmals wissenschaftlich mit Literatur von Frauen und wollte an der Universität Graz lehren. Nur Letzteres wurde verhindert.
Text: Eva Rossmann