Anny Dollschein - Malerin und Schauspielerin
Harrachgasse 8
geb. 1.4.1893 in Görz, gest. 22.10.1946 in Graz.
Anny Dollschein wurde 1893 in Görz geboren und kam 1912 nach Graz. Sie genoss eine typische Ausbildung für höhere Töchter, in deren Lebenslauf eine Erwerbstätigkeit nicht vorgesehen war. Sie erhielt ihre erste Ausbildung an der Privatmalschule von Friederike von Koch und an der Landeskunstschule in Graz. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Familie Dollschein ihre Besitzungen und damit auch die gesicherte Existenz für ihre Töchter. Von ihnen wurde erwartet, dass sie fortan selbst für ihren Lebensunterhalt sorgten. In den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war auch in Graz etwas von der Aufbruchsstimmung zu verspüren, das Frauenwahlrecht wurde soeben umgesetzt und es entstanden Künstlervereinigungen.
1919 zog Anny Dollschein zu einer Freundin in die Harrachgasse 8, sie gibt als Beruf „Malerin und Schauspielerin“ an. Hier wohnte sie nur drei Jahre, aber es waren wesentliche Jahre in ihrer Entwicklung als Künstlerin. Sie war Mitglied des Werkbundes Freiland, in dessen Marionettentheater sie bis zu seinem Ende 1923 mitwirkte. Als Puppenspielerin bekam sie sehr gute Kritiken in den Zeitungen. 1924 schloss sie sich der Sezession Graz an. Da ihre ehemals vermögende Familie verarmt war, arbeitete sie von 1925 bis 1929 als Erzieherin.
1930 fuhr sie erstmals nach Paris, 1932 bis 1935 studierte sie in der "Welthaupt-stadt der Kunst" an der Malschule von André Lhote. Die in Paris entstandenen Bilder, die seit 1934 in Grazer Aus-stellungen zu sehen waren, gehören zu den wenigen Beispielen neusachlicher Kunst in der Steiermark. Nach ihrer Rückkehr wurde ihre Malerei durch den Einfluss von Alfred Wickenburg um kubistische Elemente bereichert. Sie experimentierte vor 1938 auch mit abstrakten Kompositionen, wie einige Aquarelle von ihr belegen.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war sie sehr bedrückt, unterwarf sich aber in den gebrauchsgrafischen Aufträgen, die sie vor allem durch Hanns Wagula erhielt, formal und inhaltlich der NS-Doktrin. Ihre vormals mondäne Erscheinung tauschte sie gegen Dirndl und Strohhut, als Zeichen einer inneren Emigration. Ihre Bilder konnte Anny Dollschein in den Ausstellungen zwischen 1939 und 1945 nicht mehr zeigen. Nach längerer Krankheit starb Anny Dollschein 1946 völlig verarmt an Anämie. In einem Nachruf heißt es, schuld an ihrem frühen Tod sei die Verelendung während des Krieges gewesen.
Lit.: Verena M. Felice: Anny Dollschein. In: Moderne in dunkler Zeit (Hg. Peter Weibel, Günter Eisenhut) Graz 2001, S. 202ff.
Foto: GrazMuseum
Bilder/Werke unter: https://www.google.at/search?q=Anny+Dollschein&rlz=1C1NDCM_deAT759AT759&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=0ahUKEwjlwN2ftPXZAhWHJZoKHcqpACIQsAQILg&biw=1680&bih=919